Shariff

Kapitalmärkte, Banken und die Rolle der Politik

Veröffentlicht am 29.12.2008 in Pressemitteilungen

Lothar Binding, MdB, zur Finanzmarktkrise bei den Jusos in Heilbronn

In ihrer Begrüßung zur Veranstaltung des Juso-Kreisverbandes Heilbronn zum Thema "Turbokapitalismus ruft Staat" fordert Marlene Steg als eine erste Konsequenz faire Regeln für den Finanzmarkt. Die Jusos, so Steg „stellen die den Begriff Verantwortung in den Mittelpunkt – Verantwortung heißt auch Antworten geben“, gab sie dem Referenten des Abends, dem Bundestagsabgeordneten Lothar Binding, mit auf den Weg.

Der Finanzexperte der SPD-Bundestagsfraktion griff dieses Motto in seinen kenntnisreichen und anschaulichen Ausführungen auf: "Die Hiobsbotschaften von den internationalen Finanzmärkten der letzten Wochen haben bei vielen Banken einen schockierenden Mangel an Verantwortungsbewusstsein, Selbstdisziplin und internen Kontrollen offen gelegt.“

Binding rechnet mit schwerwiegenden Folgen der Krise. "Sie wird bleibende Spuren hinterlassen. Das Weltfinanzsystem wird multipolarer. Für dieses neue System brauchen wir klare Regeln und ein neues Wertesystem um Verantwortung neu zu begründen und Vertrauen wiederherstellen.“ Dazu müssen strenge Vorschriften für die Kreditvergabe und Eigenkapital, das Verbot rein spekulativer Leerverkäufe, der Aufbau schlagkräftiger Kontroll- und Sanktionsorgane oder verbindliche Standards für eine stärkere Haftung gehören. Bundesfinanzminister Steinbrück habe hier wirksame und praktikable Vorschläge für eine Neuordnung des Weltfinanzsystems vorgelegt.

An einem Beispiel, - short selling genannt - erläutert Binding Geschäftsmodelle „zur Maximierung geplanter Verantwortungslosigkeit“: die Idee des short selling: Jemand hat nichts („short“), möchte aber trotzdem etwas verkaufen (to sell, selling). Also leiht er sich z.B. Aktien für eine Gebühr, wobei die Aktien zu einem festen Termin zurückgegeben werden müssen. In seiner Genialität, weiß der short-seller, dass die Aktien fallen. Er verkauft also die Aktien an einen der das nicht weiß. Sagen wir zu 100. Zu einem festgelegten Termin werden bzw. müssen die Aktien zurückgekauft, sagen wir zu 60 Der short-seller hat 40 % Gewinn gemacht minus die Leihgebühr für die Aktien. Schönes Geschäft für den short-seller. Es sei denn, die Aktien steigen im Wert. Diese Geschäfte die unverantwortlich risikoreich sind und Spielcasinomentalität verraten, sollten verboten werden, weil sie unkalkulierbare Risiken in den Finanzmarkt und damit in die gesamte Wirtschaft tragen. „Solchen Finanzjongleuren dürfen wir Arbeitsplätze nicht anvertrauen, der neoliberale Ansatz ist gescheitert“, So Binding.

„In der Wirtschaft sind jetzt Blasen geplatzt - aber auch in der Politik. Das ist unsere große Chance, zu einer besser regulierten sozialen Marktwirtschaft“, sagte Binding weiter. Das Programm der SPD für die nächste Bundestagswahl werde weitere Regulierungselemente enthalten und auf den Säulen „soziale Gerechtigkeit“ und „Chancengleichheit“ ruhen.“

Auf nationaler Ebene springe der Staat für die angeschlagenen Banken in die Bresche, um die Ersparnisse der Bürger zu schützen, neues Vertrauen unter den Banken zu stiften und die Kreditversorgung für den Mittelstand zu sichern. Dafür sorge das Finanzmarktstabilisierungsgesetz mit seinem großen Bürgschaftsrahmen. Der Haushaltsexperte unterstrich die Bedeutung des Stabilisierungsfonds für den Staatshaushalt. Denn wenn Investitionen, Löhne und Gehälter oder der Konsum in Folge der Bankenkrise gefährdet seien, dann würden sich ausbleibende Steuereinnahmen auch negativ auf die Möglichkeiten politischer Gestaltung auswirken.

Der Staat erhalte mit dem Finanzmarktstabilisierungsgesetz Mitspracherechte bei Produkten, Strukturen und Geschäftspolitik von Banken, die die staatliche Hilfe gegen eine Gebühr in Anspruch nehmen könnten. Der Fonds werde als Sondervermögen eingerichtet, das getrennt vom Bundesetat gehalten werde und über ein Volumen von 80 Mrd. Euro verfüge. Andererseits können für den Fonds Garantien bis zu 400 Mrd. Euro übernommen werden. Zu diesem Zweck wird auch das bestehende Bürgschaftsvolumen im Bundeshaushalt – das etwa Investitionen deutscher Unternehmen im Ausland absichert – um die gleiche Summe erweitert. Damit können angeschlagene Banken mit unterschiedlichen Instrumenten bis Ende 2009 mit neuem Kapital versorgt werden. Dabei handle es sich um einen Verfügungsrahmen für die Bundesregierung, der nur im Bedarfsfall in Anspruch genommen werden solle.

Institutionelle Absicherungen gegen systemische Risiken auf den Finanzmärkten reichten Binding zufolge allerdings nicht aus. Bankvorstände, Wirtschaftsprüfer und Aufsichtsräte werden neu über ihre persönliche und berufliche Verantwortung nachdenken müssen. Es sei in der aktuellen Situation schlicht unmöglich, den Bürgern zu erklären, warum Chefs in Unternehmen in einer Gewinnphase maßlose Gehälter und Bonuszahlungen beziehen, für Fehleinschätzungen aber nicht verantwortlich gemacht würden, sondern sogar noch hohe Abfindungen einstreichen. „Wir brauchen daher internationale Standards für schärfere persönliche Haftungsregeln für Bankmanager“, so Binding.

Eine Verknüpfung der Finanzmarktkrise mit einem angeblichen Versagen der staatlichen Finanzmarktaufsicht und dem Scheitern der öffentlichen Banken wies Binding zurück. Richtig sei vielmehr, so der Experte, dass die leichtfertige Vergabe von Krediten und der Weiterverkauf der Kreditrisiken, die gezielte Umgehung staatlicher Sicherungssysteme, die Missachtung von Eigenkapitalvorschriften, insbesondere in den USA, und das Versagen der Rating-Agenturen wesentliche Ursachen der Finanzmarktkrise sind. Selbst och so gute Kontrollsysteme, wie die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) oder der Bundesbank hätten diese Entwicklung nicht verhindern können, so Binding.

Sparkassen und Genossenschaftsbanken seien nach heutigem Wissensstand insgesamt vorsichtiger mit den hochspekulativen Produkten umgegangen. Gleichwohl müsse auch im öffentlich-rechtlichen Bankensektor entschlossen an Verbesserungen gearbeitet werden. Das beträfe in erster Linie die deutschen Landesbanken, von denen einige durch ihre hochriskanten Investments ins Blickfeld gerückt wären. "Hier scheint Neuordnung und Fusionierung dringend notwendig", so Lothar Binding.

 

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