Shariff

Vom Ministranten zum Juso-Landeschef

Veröffentlicht am 07.05.2006 in Allgemein

Zeitungsartikel aus dem Echo am Sonntag zur Juso-Landesdelegiertenkonferenz in Heilbronn

SELBSTBEWUSSTSEIN ist bei den Jungsozialisten kein Fremdwort. Denn bei ihrer Analyse des schlechten SPD-Landtagswahlergebnisses steht am Ende das schlichte Wort Tiefpunkt ("Unser Wahlkampf hat niemanden interessiert"). Daraus ergibt sich: "Die Partei droht, in personellen Kleinkriegen und in Konzeptions- und Strategielosigkeit zu versinken." Die SPD-Youngster sparen weder mit harter Kritik an ihrer Mutterpartei noch mit Eigenlob: "Trotz allem waren es auch in diesem Wahlkampf die Jusos, die die Fahne der SPD hochgehalten haben." Trotz aussichtsloser Lage, der Juso-Kampfesmut - attestiert sich heute die SPD-Jugend - ist ungebrochen: "Als sich in der Partei Resignation breit machte, waren es die Jusos, die die Wahlkampfaktivitäten vielerorts beinahe im Alleingang bestritten."

DAS LANDESTREFFEN der Jusos wird mit dem Wortungetüm "Landesdelegiertenkonferenz" umschrieben. An diesem Wochenende findet es dreitägig in Heilbronn-Neckargartach statt. Heilbronns scheidender SPD-Bau-Bürgermeister Ulrich Frey begrüßte die 200 SPD-Nachwuchskräfte in der Neckarhalle im einst "württembergischen Liverpool". Er zeigte sich "persönlich berührt" vom herzlichen Juso-Empfang, denn "ich habe auch weniger gute Tage in der Sozialdemokratie gesehen". Gemeint war, dass die Heilbronner SPD im Machtpoker um die Bürgermeister-Posten Frey fallen gelassen hatte. Herbert Burkhardt, SPD-Stadtrat, lobte die Jusos als wichtigen Teil der Partei und forderte sie dazu auf, Netzwerke zu bilden, "auch wenn ihr dafür beschimpft werdet". Burkhardt kämpferisch aufmunternd: "Sorgt dafür, dass der eine oder andere in der Partei mit einem dicken Hals nach Hause geht."

DIE JUSOS fühlen sich im Gegensatz zur SPD im Aufwind - Bundesvorsitzender Björn Böhning: "Über 11.000 junge Menschen sind in den letzten Monaten bei uns eingetreten." Der scheidende Juso-Landesvorsitzende Hendrik Bednarz (27), Rechtsreferendar aus Balingen, übergibt nach drei Amtsjahren seinem Nachfolger Roman Götzmann (24) aus Waghäusel, Student der Politikwissenschaft in Mannheim, einen Landesverband mit rund 6.300 Mitgliedern. "Zurück zur Volkspartei" lautet die Überschrift eines Strategiepapiers, mit dem die Jungsozialisten "den ersten Aufschlag zur strategischen Neuausrichtung der Landes-SPD" angeregt haben.

FUSSBALLFAN ist der neue Juso-Landesvorsitzende. Und wie als Fan des Karlsruher Sportclubs KSC, so hofft Roman Götzmann auch auf einen Aufstieg seiner Partei in die Landes- und Bundesspitze. Ausdauer bringt der Jungpolitiker mit. Denn als bekennender Katholik hat er schon zwölf Jahre als Messdiener in der Wallfahrtskirche Waghäusel hinter sich. Berührungsängste zur Kirche hegt er keine: "Von den Sozialprogrammen der beiden großen Kirchen kann sich so mancher Sozialdemokrat noch eine Scheibe abschneiden."

SCHWERPUNKT für die künftige Arbeit der Jungsozialisten in Baden-Württemberg sei die "inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Thema "Armut". Die Jusos wollen sich dabei für diejenigen einsetzen, so Götzmann, die "die Solidarität der Gesellschaft am nötigsten haben". Dass die SPD auf vielen Feldern der Sozialpolitik in Konkurrenz zur neuen Linkspartei steht, ficht Götzmann nicht an: "Die arbeiten nach dem Motto Freibier für alle und spielen verantwortungslos mit den Ängsten der Menschen."

LEHRLINGE sind bei den Jusos nach wie vor die Ausnahme. Sowohl die SPD als auch die Jusos entwickeln sich immer mehr zur Akademiker-Polit-Organisation. Götzmann: "Der Arbeitnehmer-Anteil ist bei uns nicht so hoch wie er sein könnte - Schüler und Studenten bilden die Mehrheit, deshalb suchen wir ja den Kontakt zur Gewerkschaftsjugend zum gegenseitigen Austausch von Lebenswelten." - Eine neue Juso-Politik unter dem Seefahrer-Motto des Landestreffens in Neckargartach: "Klare Konzepte, klare Linien - frischer Wind für Südwest".

FÜR DIE FUSSBALL-WM wünscht sich "Fan" Roman Götzmann privat, "dass die deutsche Mannschaft soweit kommt, wie es irgendwie geht". Und politisch: "Dass die WM ein Freudenfest für alle sein wird."
Von Jürgen Dieter Ueckert

 

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