Shariff

Die neue Lust der Jusos: Machtschmied statt Rebell

Veröffentlicht am 09.01.2006 in Presseecho

Zeitungsartikel aus der Heilbronner Stimme

Politische Zeitenwenden bergen doch einige Überraschungen. Wenn die Jungsozialisten, der streitbare Nachwuchs der SPD mit dem prägnanten Logo einer Faust mit Rose, zu einem Juso-Landestreffen einladen, sind eigentlich kontroverse Politdebatten zu erwarten. Selbst Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder hat im Vorjahr Kritik einstecken müssen, als die Jusos seine Entscheidung für Neuwahlen und seine China-Politik attackierten.

Beim Juso-Landestreffen am Dreikönigsabend flackert die freche Unbekümmertheit der jungen Garde im Heilbronner Deutschhofkeller nur ansatzweise auf. „Die Promis“, merkt Heilbronns Juso-Kreischef Christian Eheim an, „werden gleich kommen“. Mit „Promis“ meint er den neuen SPD-Landesgeneralsekretär, Jörg Tauss, Heilbronns SPD-Bundestagsabgeordneten Josip Juratovic und den SPD-Landtagswahlkandidaten Herbert Burkhardt. Lange lassen „die Promis“ auf sich warten. Als sie mit 45-minütiger Verspätung endlich auftauchen, werden sie von starkem Applaus der 100 Besucher empfangen.

Mit pathetischen Worten stellt Juso-Landesvorsitzender Hendrik Bednarz (27) die drei Redner vor, ehe er die CDU aufs Korn nimmt. Die „olle Kamelle“ Atompolitik kritisiert Bednarz, seziert die Schulpolitik der Landesregierung und geißelt den Fragebogen für einbürgerungswillige Muslime als diskriminierend. Für die Landtagswahl „lassen wir es krachen“, lautet sein Appell, ehe er die Bühne freigibt. Acht Minuten hat der Juso-Chef geredet. Die drei Promis dagegen, alle deutlich jenseits der 40-Jahre-Grenze, werden es auf 48 Minuten bringen.

Geschickt spielt Hauptredner Jörg Tauss auf der Klaviatur des Themenspektrums, outet sich als „leidenschaftlicher Gegner“ von Studiengebühren und wettert gegen eine „Pauk-Schule“ mit einer 40- bis 45-Stunden-Woche für die Schüler. Die Landtagswahl stilisiert er zu einer „Frage der Generationengerechtigkeit“. Als Josip Juratovic seinen vierminütigen Rede-Auftritt mit einer Wahlempfehlung („volle Unterstützung für den Herbert“) abschließt, wird nach kräftigem Applaus für die Redner umgehend Musik aufgedreht - das war’s. Wer mag, kann sich in kleinen Gruppen unterhalten. Und 40 Liter Freibier, gespendet vom Juso-Landes- und Kreisverband, gibt es ja auch noch.

Sind die Jusos zahnlos geworden? Ist die Große Koalition kein Thema? Kritik sanft angedeutet hatte Landeschef Hendrik Bednarz in seiner Rede. Hinterher erläutert er, dass der Koalitionsvertrag inhaltlich viel zu dünn ausgefallen sei, klare Aussagen zu Steuer-, Gesundheits- und Rentenpolitik fehlen. Die Rolle der Jusos in der SPD sieht Bednarz als „Motor“. „Wir schmieden Inhalte.“

Auch Heilbronns Juso-Chef Christian Eheim hält nichts vom reinen Rebellentum. „Wir wollen auch inhaltlich mitgestalten, konstruktiv sein und sind ein ernst zu nehmender Faktor geworden.“ Bei der Wahl von Josip Juratovic auf einen aussichtsreichen Landeslistenplatz haben die Jusos entscheidend mitgewirkt, bei der Wahl von Jörg Tauss ebenso. Nun wollen sie Herbert Burkhardt „kompromisslos unterstützen“ (Eheim). An der Machtverteilung mitzuwirken, hat offenbar seine ganz besonderen Reize.
Von Carsten Friese

 

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